Unberechtigte Inanspruchnahme bei bestandskräftigen Schuldenbereinigungsplan

Das Amtsgericht Husum hat mit Urteil vom 18.07.2012 zum Az.: 27 C 23/12 der Klage auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten wegen einer unberechtigten Inanspruchnahme in vollem Umfang statt gegeben.

Der Fall:

Der Beklagte hatte gegen die Klägerin ursprünglich Forderungen aus einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Jedoch geriet die Klägerin in finanzielle Schwierigkeiten und stellte daher einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beim zuständigen Amtsgericht. Sie führte sodann das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren durch. Der Beklagte wurde ordnungsgemäß beteiligt. Dieser meldete eine Forderung in Höhe von 1.073,16 € an, welche in den gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan aufgenommen wurde. Eine weitere Reaktion durch den Beklagten erfolgte nicht, so dass im weiteren Verfahren vor dem Insolvenzgericht diese Nichtreaktion schließlich als Zustimmung zum gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan gewertet wurde (§ 307 Abs. 2 Insolvenzordnung – InsO).

Der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan wurde sodann durch Beschluss des Insolvenzgerichts für bestandskräftig erklärt. Im Folgenden wurden an den Beklagten bereits zwei Quoten ausgezahlt.

Mit Schreiben vom 27.07.2011 traten dann Rechtsanwälte für den Beklagten handelnd an die Klägerin heran und forderten diese unter Fristsetzung zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 6.559,35 € auf. Diese Forderung sei tituliert.
Die Bevollmächtigten des Beklagten wurden sodann darauf hingewiesen, dass die Forderung nach § 308 Abs. 3 S. 2 InsO erloschen sei, da ein bestandskräftiger Schuldenbereinigungsplan vorliege und der Beklagte an diesem Verfahren ordnungsgemäß beteiligt wurde. Ebenso wurden die angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 603,93 € geltend gemacht.
Daraufhin wiesen die Bevollmächtigten des Beklagten allein die Kostenrechnung zurück, weitergehende inhaltliche Ausführungen wurden nicht gemacht. In einem weiteren Schreiben wurde der Beklagte aufgefordert zu erklären, dass die von ihm geltend gemachte Forderung erloschen ist. Daraufhin teilten die Bevollmächtigten des Beklagten mit, dass bestätigt wird, dass der Beklagte die mit Schreiben vom 27.07.2011 geltend gemachte Forderung nicht weiter verfolge. Der Beklagte verweigerte jedoch im weiteren die Erstattung der entstandenen Rechtsanwaltskosten.

Das Urteil:

Das Amtsgericht Husum sah den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als zulässig und begründet an.

Zwischen den Parteien habe auf Grund des bestandskräftigen Schuldenbereinigungsplanes ein wirksames Schuldverhältnis bestanden. Diesem kommt insoweit die Wirkung eines Vergleiches im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) zu, § 308 Abs. 1 S. 2 InsO. Der beklagte Gläubiger wurde ordnungsgemäß an dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren beteiligt und hatte hinreichende Kenntnis sowohl vom Plan selbst als auch dessen Bestandskraft. Die vom beklagten Gläubiger mit Schreiben vom 27.07.2011 geltend gemachte Forderung hatte dieser nicht zum Schuldenbereinigungsplan, so dass diese Forderung nach § 308 Abs. 3 S. 2 InsO erloschen ist.

Aus dem Schuldenbereinigungsplan resultieren insoweit gegenseitige Pflichten, insbesondere auch die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB. Indem der beklagte Gläubiger die Klägerin mit der als erloschen geltenden Forderung nach Bestandskraft des Schuldenbereinigungsplanes erneut in Anspruch genommen hat, hat er eben gegen diese Rücksichtnahmepflicht verstoßen. Der beklagte Gläubiger hatte mehrfach, sowohl im außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren als auch im gerichtlichen, die Möglichkeit sämtliche Forderungen anzumelden. Insbesondere wurde der Beklagte als Gläubiger gemäß § 307 Abs. 1 InsO unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 308 Abs. 3 S. 2 InsO (Erlöschen der Forderung) darauf hingewiesen, dass er die Angaben zu seinen „Forderungen“ zu überprüfen und zu ergänzen habe. Jedoch hat er die mit Schreiben vom 27.07.2011 geltend gemachte Forderung gerade nicht mit angemeldet.

Der Beklagte ist auch nicht mit seinem Vortrag durchgedrungen, ihm seien die Folgen der Nichtgeltendmachung der Forderung im Schuldenbereinigungsplanverfahren nicht bekannt gewesen. Hier liege es gerade in dessen Risikobereich, sich über die Rechtsfolgen hinreichend zu informieren, wenn er entgegen der gerichtlichen Aufforderung, § 307 Abs. 1 InsO, nicht alle seine Forderungen anmeldet.

Ferner hat der Beklagte eingewandt, die erloschene Forderung erstmals mit Schreiben vom 27.07.2011 geltend gemacht zu haben, so dass es sich nicht um eine erneute Inanspruchnahme gehandelt habe. Dies ist jedoch nicht richtig, da der Beklagte seine Forderung bereits zuvor hat gerichtlich titulieren lassen, was eine Inanspruchnahme denknotwendig voraussetze. Dies könne aber nach Ansicht des Gerichts ohnehin dahinstehen, da es für die Pflichtverletzung genüge, dass eine unberechtigte Inanspruchnahme vorliege und dass die geltend gemachte Forderung unstreitig nach § 308 Abs. 3 S. 2 InsO erloschen sei.

Zudem verhalte sich die Klägerin ihrerseits vertragstreu, da sie bereits die vereinbarten Quoten an den Beklagten gezahlt habe.

Aus Gründen der Fairness und Waffengleichheit durfte die Klägerin zur Abwehr der vom Beklagten geltend gemachten Forderung auch einen Rechtsanwalt einschalten, da sich der Beklagte seinerseits bereits bei der Geltendmachung der Forderung eines Rechtsbeistandes bediente.

Der Schadensersatzanspruch bestehe auch in der geltend gemachten Höhe, da es sich hier insoweit um zwei rechtlich verschiedene Gebührensachverhalte, nämlich einmal die Durchführung eines Schuldenbereinigungsplanverfahrens und einmal um die Abwehr einer unberechtigten Geltendmachung einer Forderung handelte.

Fazit:

Diese Entscheidung des Amtsgerichts Husum zeigt nicht nur sehr deutlich, dass es bereits für den Schuldner, welcher ein Schuldenbereinigungsplanverfahren durchführen will, unerlässlich ist, dass sämtliche Gläubiger auch an diesem beteiligt werden. Nur so kann die Erlöschensfiktion des § 308 Abs. 3 S. 2 InsO überhaupt erst greifen. Überdies ist es aber auch für den Gläubiger einer Forderung, deren Berechtigung hinsichtlich aller in Betracht kommenden Umstände genau zu prüfen. Indem der Schuldenbereinigungsplan die Wirkung eines gerichtlichen Vergleiches hat, müssen sich auch beide Parteien – nicht nur der Schuldner, sondern auch sämtliche beteiligte Gläubiger – an diesen halten.

Bad Düben, 01.11.2012
Rechtsanwältin Elisa Rudolph
für Rechtsanwälte Kühn & Schreiber

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