Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) kann klagen und verklagt werden. Sie wird durch den/die Geschäftsführer (GF) vertreten. Der Vorteil der GmbH ist, dass die Gesellschaft nur mit dem Gesellschaftsvermögen haftet. Nachteil der GmbH ist, dass der GF haftet, wenn er eine seiner zahlreichen Pflichten verletzt, wobei das Haftungsrisiko existenzbedrohend sein kann. Eine Haftung des GF kommt sowohl im Innen- als auch Außenverhältnis in Betracht.
1. Innenhaftung
Die Innenhaftung des GF zur Gesellschaft wird in § 43 GmbHG geregelt. Nicht anwendbar ist § 43 auf Pflichten gegenüber den Gesellschaftern, Gesellschaftsgläubigern oder Dritten (kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 II BGB).
1.1 Sorgfaltsmaßstab
Nach § 43 I GmbHG haben die GF den Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Geschäftsmanns anzuwenden. Verletzen die GF die ihnen obliegenden Pflichten schuldhaft, so haften sie gem. § 43 II GmbHG der Gesellschaft für den entstandenen Schaden.
1.2 Pflichtverletzung
§ 43 GmbHG setzt eine objektive Pflichtverletzung des GF voraus, wobei es allgemeine und spezielle Sorgfaltspflichten gibt. Allgemeine Pflichten ergeben sich aus dem Gesetz, aus der Satzung, aus Gesellschafterbeschlüssen und aus anerkannten Grundsätzen zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Die speziellen Pflichten ergeben sich aus den Umständen des Einzelfalls, wie Größe und Branche der Gesellschaft.
Im Rahmen der Rechtsordnung hat der GF ein unternehmerisches Ermessen. Risikoreiche Geschäfte sind dem GF nicht verwehrt, denn unternehmerisches Handeln ist stets risikobehaftet. Erst wenn die Grenze des erlaubten Risikos überschritten wird, handelt der GF pflichtwidrig. Werden Gesetz, Satzung und Organbeschlüsse beachtet, kann dem GF kein Sorgfaltspflichtverstoß vorgeworfen werden, weil er bewusst ein unternehmerisches Risiko eingegangen ist, welches ggf. wirtschaftlich negativ für die Gesellschaft war. Ob eine unternehmerische Entscheidung pflichtwidrig war, wird regelmäßig an den Grundsätzen der Business Judgement Rule des US-amerikanischen Rechts geprüft, wobei danach eine Haftung eines Managers dann nicht besteht, wenn er kein eigenes relevantes Interesse an der getroffenen Entscheidung hat, sich zur Vorbereitung der Entscheidung hinreichend informiert hat und nachvollziehbar nach seiner Überzeugung im besten Interesse des Unternehmens gehandelt hat.
Bei mehreren GF gilt der Grundsatz der Gesamtverantwortung. Jeder GF hat unabhängig von der konkreten ggf. ressortmäßigen Ausgestaltung der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis für die Erfüllung aller Pflichten einzustehen. Die Verantwortung des einzelnen GF kann durch Zuständigkeitsverteilung beschränkt sein. Zuständigkeitsverteilungen können sich aus dem Gesellschaftsvertrag, den Anstellungsverträgen, Weisungen der Gesellschafter oder einer Vereinbarung der GF untereinander ergeben, wenn diese dem Willen der Gesellschafter entspricht und nicht selbst pflichtwidrig ist. Sind dem GF bestimmte Aufgaben zugewiesen, haftet er nicht für das Fehlverhalten der übrigen GF nach § 278 oder § 831 BGB, ist allerdings nach dem Grundsatz der Gesamtverantwortung nicht von jeglicher Verantwortung für diese Aufgabenbereiche frei. Jeder GF muss sich regelmäßig über die Entscheidungen im fremden Ressort informieren und hat diese zu überprüfen. Haben mehrere GF pflichtwidrig gehandelt, haften sie als Gesamtschuldner, wobei jeder den vollen Ersatz des Schadens schuldet.
1.3 Kausalität und Schaden
Die Pflichtverletzung des GF muss ursächlich für den Schaden der GmbH sein. Anders als bei § 823 I BGB ist es vollkommen unerheblich, ob es sich bei dem eingetretenen Schaden um einen mittelbaren infolge eines Personen- oder Sachschadens oder um einen unmittelbaren, sog. reinen Vermögensschaden handelt. Schaden ist dabei auch ein auf Grund pflichtwidrigen Verhaltens entgangener Vorteil der Gesellschaft.
1.4 Verschulden
Der GF haftet für jedes Verschulden, also auch für leichte Fahrlässigkeit. Als Verschuldensmaßstab ist nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, sondern die eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden. Fehlende persönliche Voraussetzungen oder Überforderung des GF entlasten diesen nicht. War den Gesellschaftern aber die fehlende persönliche Qualifikation des GF bekannt oder für diese erkennbar, kommt ein Mitverschulden der Gesellschaft in Betracht.
1.5 Haftungsausschluss bzw. Beschränkung
Ein Haftungsausschluss aus § 43 GmbHG besteht, wenn der GF auf bindende Weisungen der Gesellschafterversammlung gehandelt hat. Etwas anderes gilt nur, wenn die Kapitalerhaltung betroffen ist. In diesem Fall hat sich der GF der Weisung zu widersetzen.
Nach § 46 Nr. 5 GmbHG entscheiden die Gesellschafter über die Entlastung des GF, welche zum Ausschluss der Haftung führt. In den Fällen des § 43 III GmbHG und bei Befolgung sittenwidriger Gesellschaftsbeschlüsse ist ein Verzicht unwirksam.
In der Rechtssprechung ist umstritten, ob eine vertragliche Beschränkung der Innenhaftung im Dienstvertrag möglich ist. Nach § 276 III BGB ist ein Ausschluss für vorsätzliches Handeln unzulässig. Eine Haftung für leichte Fahrlässigkeit kann jedoch ausgeschlossen werden. Ein Haftungsausschluss für grobe Fahrlässigkeit ist problematisch und dürfte mit den Gesellschaftern in der Praxis nicht zu vereinbaren sein. Wird jedoch für möglich gehalten.
1.6 Verjährung
Nach § 43 IV GmbHG beträgt die Verjährung für Ansprüche aus § 43 GmbHG 5 Jahre. Bei Pflichtverletzungen aus dem Anstellungsvertrag findet diese Frist ebenfalls Anwendung. Auf die Kenntnis des Bestehens des Anspruchs kommt es nicht an. Für die konkurrierenden Ansprüche aus §§ 823, 826 BGB gilt die 3jährige Verjährungsfrist, § 195 BGB. Nach § 199 IV BGB beträgt die Verjährungsfrist für konkurrierenden Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung und aus §§ 677, 675 BGB 10 Jahre.
2. Haftung aus Sondertatbeständen:
2.1 Haftung aus § 43 Abs. 3 GmbHG
§ 43 III 1 GmbHG regelt zwei Haftungstatbestände. Nach § 43 III 1 1. Alt. GmbHG sind Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens der Gesellschaft verboten. Zudem wird in § 43 III 1 2. Alt. GmbHG die Haftung für den Erwerb von Gesellschaftsanteilen entgegen den Bestimmungen des § 33 GmbHG geregelt.
Der GF haftet in beiden Fallen verschärft.
2.2 Haftung aus § 64 Abs. 2 GmbHG
Leistet der GF nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung der Überschuldung Zahlungen, haftet er gegenüber der Gesellschaft aus § 64 II GmbHG. Dies gilt nicht für Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind, § 64 II 3 GmbHG. Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit in § 64 GmbHG kann nicht anders verstanden werden als in § 17 InsO. Denn für den Beginn des den GF treffenden Zahlungsverbots genügt in objektiver Hinsicht die bestehende Insolvensreife.
Nach § 17 II 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Merkmale der „Dauer“ und der „Wesentlichkeit“ sind gesetzlich nicht geregelt. Eine vorübergehende Zahlungsstockung begründet keine Zahlungsunfähigkeit. Der BGH hält daran fest, dass eine Zahlungsunfähigkeit, die sich voraussichtlich innerhalb kurzer Zeit beheben lässt, lediglich als Zahlungsstockung gilt und keinen Insolvenzeröffnungsgrund darstellt. Als Zahlungsstockung ist deshalb nur noch eine Illiquidität anzusehen, die den Zeitraum nicht überschreitet, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Als Zeitraum für die Kreditbeschaffung sind zwei bis drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend. Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10% seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10% erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10% oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist. Die Frage, ob noch von einer vorübergehenden Zahlungsstockung oder schon von einer endgültigen Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, muss allein aufgrund der objektiven Umstände beantwortet werden. Soweit die Haftung des GF für von ihm nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vorgenommene Zahlungen zu beurteilen ist, muss allerdings auf der subjektiven Seite das Verschulden hinzukommen, § 64 II 2 GmbHG. Entscheidend ist hier, ob im Zeitpunkt der Zahlung bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes die Insolvensreife der Gesellschaft für den GF nicht erkennbar ist, wobei diesen allerdings die volle Darlegungs- und Beweislast trifft.
2.3 Haftung aus § 9a Abs. 1 GmbHG
Nach § 9a I GmbHG haftet der GF mit den Gesellschaftern gesamtschuldnerisch, wenn zum Zwecke der Errichtung der GmbH falsche Angaben gemacht wurden. Solche falschen Angaben können die Behauptung der Einzahlung des Stammkapitals sowie unrichtige Angaben zum Gründungsaufwand sein.
2.4 Haftung aus § 57 Abs. 4 GmbHG
§ 57 Abs. 4 GmbHG regelt die Haftung der GF, die eine Kapitalerhöhung beim Registergericht anmelden und wahrheitswidrig erklären, die Einlagen seien getätigt und stehen der Gesellschaft zur freien Verfügung.
3. Haftung gegenüber den Gesellschaftern
Nach § 31 VI GmbHG haftet der GF gegenüber den Gesellschaftern, soweit ihm ein Verschulden trifft, bei unzulässigen Auszahlungen (Verstoß gegen Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG). Für organschaftliche Pflichten haftet der GF gegenüber den Gesellschaftern nicht. In Betracht kommt jedoch eine Haftung aus § 823 I BGB und § 823 II i.V.m. §§ 9a, 82 GmbHG. Die §§ 43 und 64 Abs.1 GmbHG stellen kein Schutzgesetz i.S.v. 823 II BGB dar.
4. Haftung im Außenverhältnis
Nach § 13 Abs. 2 GmbHG haftet die GmbH den Gläubigern mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Nur in Ausnahmefällen haftet der GF persönlich gegenüber Dritten.
4.1 Haftung aus c.i.c.( §§ 311 III, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB)
An eine Haftung des GF aus §§ 311 III, 241 II, 280 I BGB für die Verletzung vorvertraglicher Sorgfalts- und Aufklärungspflichten sind hohe Anforderungen zu stellen. Ein wirtschaftliches Eigeninteresse des GF am Vertragsschluss reicht für eine Haftung grundsätzlich nicht. Kann der GF ein besonderes persönliches Vertrauen für sich in Anspruch nehmen, welches über das „gewöhnliche Verhandlungsvertrauen“ hinausgeht, haftet er persönlich. Dies kann bei besonderer persönlicher Verbundenheit des GF mit dem Dritten oder bei besonderer Zuverlässigkeit und Sachkompetenz vorliegen. Fehlt es an einem besonderen Vertrauen, kommt eine Haftung aus § 826 BGB in Betracht.
4.2 Haftung aus unerlaubter Handlung
Bei der Haftung aus § 823 I BGB bestehen keine gesellschaftlichen Besonderheiten.
Für unerlaubte Handlungen von Mitarbeitern haftet der GF nicht. Bei der Verletzung von seinen Organisations- und Kontrollpflichten haftet der GF als Garant aus § 823 I BGB. Besonderheiten bestehen bei einer Haftung aus Unterlassen, hier haftet der GF, wenn er eine Garantenstellung hat. Für eine Haftung aus § 823 II BGB muss gegenüber dem Dritten ein Schutzgesetz verletzt sein. Schutzgesetze sind beispielsweise §§ 242, 246, 259, 264, 264a, 266, 266a, 266c, 283 ff. StGB, § 64 Abs. I GmbHG.
4.3 Haftung aus § 826 BGB
Der GF haftet aus § 826 BGB, wenn er dem Dritten wider besseren Wissens die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft vorspiegelt und dieser dadurch einen Schaden erleidet.
4.4 Haftung im Gründungsstadium
Nach § 11 Abs. 2 GmbHG haften die Handelnden vor Eintragung der GmbH in das Handelsregister persönlich und als Gesamtschuldner. Dadurch soll den Gläubigern neben der oft unzureichenden mit Kapital ausgestatten Gesellschaft (GmbH i.G.) ein zusätzlicher Schuldner zur Verfügung stehen.
5. Steuerrechtliche Haftung des GF
5.1 §§ 34 u. 69 AO
Schuldner der Umsatzsteuer ist die GmbH, da sie ein eigenes Steuerrechtssubjekt ist.
Gem. § 34 I S. 2 AO ist der GF jedoch verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet. Er hat die laufenden steuerlichen Erklärungen abzugeben, insbesondere die Pflicht zur Abgabe der monatlichen Lohnsteuer- und Umsatzsteuervoranmeldung. Bei der Verletzung von Steuerpflichten der GmbH kann der GF für die Steuerschulden persönlich haften. Die Haftung ist in § 69 AO statuiert. Die Haftung trifft den GF nicht nur in der Krise der Gesellschaft, wird in der Praxis jedoch nur dann relevant sein. Bei mehreren GF fallen die steuerrechtlichen Pflichten in die Generalzuständigkeit. Es gilt der Grundsatz der Gesamtverantwortung. Eine Haftung des GF aus § 69 AO erstreckt sich lediglich auf den Zeitraum, in dem er GF war. Für bereits aufgelaufene Lohnsteuerrückstande hafte der GF, wenn er mit den ausreichenden Mitteln der Gesellschaft diese nicht begleicht. Es haftet auch der faktische GF, der die tatsächliche Leitungsmacht des Unternehmens hat und nicht nur der formell bestellte GF (z.B. Ehefrauenmodell).
Es gilt der Grundsatz der Subsidarität, wonach der GF als Haftungsschuldner nur in Anspruch genommen werden kann, wenn die Vollstreckung bei der Gesellschaft in das bewegliche Vermögen aussichtslos war bzw. sein würde. Nach 219 S. 2 AO gilt diese Einschränkung nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat oder gesetzlich verpflichtet war, Steuern einzubehalten und abzuführen oder zu Lasten eines anderen zu entrichten. Schuldner der Lohnsteuer ist der Arbeitnehmer, der GF verwaltet diese nur treuhänderisch. Er ist verpflichtet, die Lohnsteuer einzubehalten und diese vorrangig vor anderen Verbindlichkeiten an das Finanzamt abzuführen (§§ 38, 41a EStG).
Stehen dem GF zur Begleichung nicht genügend Mittel zur Verfügung, muss er die auszuzahlenden Nettogehälter so reduzieren, dass er in der Lage ist, die Lohnsteuer und die darauf entfallenden Sozialabgaben zu leisten.
5.2 Pauschalierte Lohnsteuer
Die pauschalierte Lohnsteuer wird vom Arbeitgeber getragen und teilt als Unternehmenssteuer das Schicksal der übrigen Verbindlichkeiten, wie Umsatz- , Gewerbe- und Körperschaftsteuer.
5.3 weitere Pflichten nach § 33 AO
Weitere Pflichten des GF sind die Erklärungs- (§§ 149 ff. AO), Auskunfts- (§§ 93ff. AO), Berichtigungs- (§ 153 AO, § 41a EstG, § 17 UStG), Buchführungs- (§§ 140 ff. AO) und Aufzeichnungspflicht.
5.4 Haftungsmaßstab
Für eine Haftung muss eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung ursächlich für den steuerrechtlichen Schaden sein. Ausreichend für eine Haftung sind Erklärungen wie z.B. „um Arbeitsplätze zu sichern, werden die Steuern nicht gezahlt“ oder „die nicht abgeführte Lohnsteuer sollte aus einer Steuererstattung beglichen werden“.
6. Das Lohnsteuerverfahren
6.1 Abwehrmöglichkeiten
Im Lohnsteuerverfahren kann der GF verschiedene Einwände erheben. Der Bescheid kann sowohl formell als auch materiell rechtswidrig sein. Formell fehlerhaft ist der Bescheid beispielsweise, wenn der Haftungsbescheid inhaltlich unbestimmt ist, die Form nicht gewahrt ist, der Bescheid unzureichend begründet wird oder diesem eine rechtskräftige Entscheidung entgegensteht.
Materiell rechtswidrig ist der Bescheid, wenn ein Lohnsteuertatbestand fehlt (z.B. freier Mitarbeiter statt Arbeitnehmer) oder keine Vorwerfbarkeit in der Handhabung des Lohnsteuerabzugsverfahrens besteht (z.B. Vertrauen auf Eintragung der Lohnsteuerklasse, bei Nichtvorliegen der Lohnsteuerkarte – Abrechnung Steuerklasse VI, Rückgriff auf amtliche Lohnsteuertabellen).
Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass sich der GF auf die Festsetzungs- oder Verfolgungsverjährung beruft.
6.2 weitere persönliche Haftung
Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers besteht zudem bei falschen Angaben und Bescheinigungen des Arbeitgebers und dadurch eintretenden Steuerausfällen, sowie bei nicht genehmigter gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung.
7. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines GmbH – Geschäftsführer
Dass der Geschäftsführer darüber hinaus tatsächlich auch wirklich mit beiden Beinen im Gefängnis stehen kann, wird in dieser Abhandlung beschrieben. Jeder Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft ist daher auf der sicheren Seite, wenn er regelmäßig rechtliche und steuerliche Beratung in Anspruch nimmt.
Die persönliche Strafbarkeit des Geschäftsführers
Neben der zivilrechtlichen Haftung treffen den Geschäftsführer auch strafrechtliche Risiken.
Der GF kann sich nach dem allgemeinen Strafrecht, wegen Verletzung von Straftatbeständen, die sich an die GmbH richten, oder wegen Straftatbeständen, die nur ihn als Geschäftsführer speziell betreffen, strafbar machen. Zudem kann der GF auch nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz zur Verantwortung gezogen werden.
Eine Bestrafung erfolgt jedoch nur, wenn ein gesetzlich geregelter Straftat- oder Ordnungswidrigkeitentatbestand verwirklicht ist. Grundsätzlich wird nur vorsätzliches Handeln bestraft, es sei denn, der Gesetzgeber hat ausdrücklich fährlässiges Handeln unter Strafe gestellt. Straf- oder bußgeldbewehrt kann dabei nicht nur ein Tun, sondern auch ein Unterlassen sein, wenn seitens des GF eine Pflicht zum Handeln bestand.
Grundsätzlich kann sich der GF nicht darauf berufen, dass er eine bestimmte Strafvorschrift nicht gekannt habe. Denn es wird erwartet, dass sich ein GF über die Rechtslage und die branchentypischen Vorschriften informiert. Ein Irrtum des GF ist in der Regel aufgrund der hohen Informationspflichten vermeidbar, so dass die Strafe nicht entfällt.
7.1 Sonderdelikte bzgl. des Unternehmens
Die GmbH selbst kann als juristische Person nicht bestraft werden, da Straftaten nur von Menschen begangen werden können. Über § 14 StGB wird deshalb der GF strafrechtlich zur Verantwortung gezogen, auch wenn sich bestimmte Straftatbestände an das Unternehmen richten.
Von besonderer Bedeutung sind die Bankrottdelikte. Eine Strafbarkeit wegen Bankrotts gem. § 283 StGB setzt neben der Krise der Gesellschaft voraus, dass der GF eine Bankrotthandlung vornimmt.
Dazu gehören Handlungen wie:
- Beiseiteschaffen von Gesellschaftsvermögen
- Verheimlichen von Vermögensgegenständen
- Verlust- oder Spekulationsgeschäfte sowie unwirtschaftliche Ausgaben
- Gefährdung von Warenkrediten
- Vortäuschen von Rechten
- Verstoß gegen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten
Strafbar sind diese Handlungen, wenn sie in der Krise begangen werden oder wenn durch die Handlung die Gesellschaft erst in die Krise fällt. Eine Krise liegt nach dem Gesetz bei einer Überschuldung der Gesellschaft oder einer drohenden oder eingetretenen Zahlungsunfähigkeit vor.
Selbst wenn keine Krise verursacht wird bzw. besteht, wird die Verletzung der Pflichten zur Buchführung und zur Bilanzierung gem. § 283 b StGB unter Strafe gestellt.
Ergänzend stellt § 283 c StGB die Gläubigerbegünstigung unter Strafe. Eine Gläubigerbegünstigung liegt vor, wenn der GF vorsätzlich dem Gläubiger einen Vorteil verschafft, den dieser nicht oder noch nicht beanspruchen kann. Besteht Zahlungsunfähigkeit darf keiner der Gläubiger bevorzugt befriedigt werden.
Eine Strafbarkeit wegen Bankrotts oder Gläubigerbegünstigung ist nur möglich, wenn die Gesellschaft die Zahlungen eingestellt hat oder das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgewiesen worden ist. Wurde die Krise überwunden, kann der GF nicht wegen Bankrott oder Gläubigerbegünstigung bestraft werden. Jedoch kann sich der GF dann wegen Untreue oder Unterschlagung strafbar gemacht haben.
Kein Sonderdelikt ist die Schuldnerbegünstigung gem. § 283 StGB. Der GF kann sich jedoch als Anstifter oder Gehilfe der Schuldnerbegünstigung strafbar gemacht haben. Eine Schuldnerbegünstigung liegt immer dann vor, wenn außenstehende Dritte (bzw. die Ehegattin des GF) Bankrotthandlungen vornehmen, um der Gesellschaft zu helfen.
7.2 Spezielle Sonderdelikte für den GF
Bei den Sonderdelikten für den GF ist dieser speziell der Adressat der Strafvorschrift.
Ein Straftatbestand, der sich direkt an den GF richtet, ist die Verletzung von Buchführungspflichten (§ 283b StGB), da der GF gem. § 41 GmbH zur Buchführung verpflichtet ist. Das Vorliegen einer Krise bedarf es bei der Verletzung von Buchführungspflichten nicht.
Im GmbHG selbst sind einige Straftatbestände gesetzlich geregelt. Macht der GF bei der Gründung der Gesellschaft oder Kapitalerhöhung falsche Angaben, kann er gem. § 82 GmbHG bestraft werden.
Strafbar sind:
- falsche Angaben zur Erlangung der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister
- die Vorlage eines falschen Sachgründungsberichts
- falsche Angaben zur Kapitalerhöhung
- falsche Angaben zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln
- falsche Versicherung über Bestellungshindernisse
- falsche Versicherung über Kapitalherabsetzung
- falsche Angaben über die Geschäftslage
Macht der Geschäftsführer eine der zuvor genannten falschen Angaben bzw. Versicherungen, kann er mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe verurteilt werden.
Des Weiteren kann sich der GF nach § 84 GmbHG wegen unterlassener Verlustanzeige und Insolvenzverschleppung strafbar machen, wobei diese nur durch ein bloßes Untätigbleiben des GF begründet werden kann.
Bereits im Vorfeld der Insolvenz ist der GF verpflichtet, den Gesellschaftern einen Verlust der Hälfte ihres Stammkapitals anzuzeigen. Diesbezüglich hat der GF eine Gesellschafterversammlung einzuberufen. Damit soll den Gesellschaftern ermöglicht werden, über den Werdegang der Gesellschaft und deren Geschäfte zu entscheiden. Verletzt der GF diese Verpflichtung, kann er mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden. Dabei kann auch eine fahrlässige Nichtanzeige des Verlustes bestraft werden.
Werden die Geschäfte durch den GF trotz Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (Insolvenzreife) fortgeführt, kann dies eine Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung nach sich ziehen.
Dem GF obliegt eine Geheimhaltungspflicht. Er darf Geschäftsgeheimnisse nicht unbefugt offenbaren. Die Verletzung von Geheimhaltungspflichten wird mit Freiheitsstrafe von 1 Jahr oder mit Geldstrafe geahndet. Offenbart der GF ein Geheimnis gegen Entgelt, erhöht sich die Strafe.
7.3 Folgen für den Geschäftsführer
Verstößt der GF gegen eine der zuvor genannten Strafnormen, droht ihm Freiheits- oder Geldstrafe. Wird der GF wegen eines Bankrottdelikts im Sinne der §§ 283 bis 283d StGB bestraft, wird gegen ihn ein Berufsverbot als GF für die Dauer von 5 Jahren verhängt.
Wird diese Handlung zivilrechtlich noch als unerlaubte Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB festgestellt, kann der GF in einem von ihm selbst angestrengten Insolvenzverfahren über sein eigenes Vermögen dafür nicht restschuldbefreit werden.
7.4 Ordnungswidrigkeitenrecht
Ordnungswidrigkeiten können ebenfalls nicht von der GmbH, sondern nur von Personen begangen werden. Nach § 9 OWiG wird deshalb der GF verantwortlich gemacht.
Der wichtigste Ordnungswidrigkeitentatbestand ist § 130 OWiG, der einen Verstoß gegen Aufsichtsmaßnahmen enthält. Ein vorwerfbarer Verstoß gegen eine Aufsichtspflicht kann nur geahndet werden, wenn im Unternehmen eine mit Strafe oder Geldbuße bedrohte Zuwiderhandlung begangen wurde, durch die gegen Pflichten verstoßen wurde, die den GF als solchen treffen und die von ihm bei Aufsicht verhindert oder erschwert worden wären.
Die einzelnen Aufsichtsmaßnahmen sind im Gesetz nicht geregelt.
Zu den Aufsichtmaßnahmen gehören:
- sorgfältige Auswahl des Personals bei der Einstellung
- Instruktion und Aufklärung des Personals über die gesetzlichen Vorschriften, die im Unternehmen zu beachten sind
- Überwachung und Kontrolle des Personals (Stichproben entsprechend der Gefahrgeneigtheit der Arbeiten)
- Überprüfung Zustand sachlicher Betriebsmittel
Kann der GF aufgrund der Größe des Betriebes die Aufsicht selbst nicht durchführen, hat er eine entsprechende Aufsichtsperson zu bestellen, wobei bei der Auswahl eine gesteigerte Sorgfaltspflicht besteht.
Zu beachten ist auch § 30 OWiG, nachdem eine Geldbuße auch gegen die GmbH verhängt werden kann, wobei diese Vorschrift eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass nur Personen bestraft werden können, darstellt. Wegen des Verbots der Doppelbestrafung kann jedoch nur die GmbH oder der GF zur Verantwortung gezogen werden.
Aus §130 III OWiG kann eine strafbedrohte Pflichtverletzung mit einer Geldbuße bis zu einer Million € geahndet werden. Ist die begangene Pflichtverletzung mit Geldbuße bedroht, dann bestimmt sich das Höchstmaß der Geldbuße wegen der Aufsichtpflichtverletzung nach dem für die Pflichtverletzung angedrohten Höchstmaß der Geldbuße.
8. Steuerrechtliche Sanktionen gegen den GF
Nach § 34 I AO ist der GF für die Erfüllung der steuerrechtlichen Verpflichtungen der GmbH verantwortlich. Schuldner der Steuern ist die GmbH, jedoch kann der GF gem. § 69 AO als Haftender in Anspruch genommen werden.
Der Haftung kann sich der GF nicht entziehen, indem er einer anderen Person Geschäftsführungsbefugnisse einräumt oder dieser eine Vollmacht erteilt.
Ist der bestellte GF lediglich „Strohmann“, so haftet sowohl der vorgeschobene Strohmann als auch der eigentliche GF.
Der GF haftet für alle gegen die GmbH gerichteten steuerrechtlichen Ansprüche, insbesondere auch für Säumniszuschläge. Zu beachten ist dabei jedoch, dass der GF gem. § 69 AO lediglich für Steuerschulden aus der Zeit, in der er GF war, in Anspruch genommen werden kann.
Für den Zeitpunkt der Festlegung des Austritts des GF ist der Zeitpunkt der Abberufung oder der Zugang der Niederlegungserklärung maßgeblich.
Auch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH endet der Zeitraum der Inanspruchnahme des GF, da damit die Verfügungsgewalt des GF endet.
Bei Verdacht eines Steuervergehens ermittelt das Finanzamt selbstständig, wobei es die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft abgeben kann.
Sofern die Ermittlungen des Finanzamtes Anlass zur Erhebung einer öffentlichen Klage geben, beantragt es den Erlass eines Strafbefehls beim Amtsgericht oder gibt die Akten an die Staatsanwaltschaft ab. Liegt ein hinreichender Tatverdacht eines Steuervergehens vor, klagt die Staatsanwaltschaft den GF an.
Zu den wichtigsten Steuerdelikten gehören:
- die Steuerhinterziehung
- die Steuerverkürzung
- die Steuergefährdung
- die Gefährdung von Abzugssteuern
Eine Steuerhinterziehung liegt vor, wenn der GF die Finanzbehörden über steuerrechtliche Tatsachen unrichtig oder unvollständig unterrichtet. Ausreichend ist auch, wenn der GF die Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen im Unklaren lässt. Der Tatbestand der Steuerhinterziehung kann nur vorsätzlich, also mit Wissen und Wollen des GF, erfolgen.
Die Steuerhinterziehung wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder einer Geldstrafe geahndet, in besonders schweren Fällen mit einer Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren.
Die Steuerverkürzung unterscheidet sich von der Steuerhinterziehung dahingehend, dass leichtfertiges Handeln ausreicht. Die Steuerverkürzung ist eine Ordnungswidrigkeit, die mit Geldbuße bis zu 50.000 € geahndet werden kann.
Einer Steuergefährdung macht sich der GF strafbar, wenn er unrichtige Belege, buchungs- und aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorgänge nicht oder unrichtig verbucht und es dadurch ermöglicht wird, Steuern zu verkürzen oder Steuervorteile zu erlangen.
Bei der Steuergefährdung handelt es sich ebenfalls um eine Ordnungswidrigkeit, die vorsätzlich oder leichtfertig begangen werden kann. Die Höhe der Geldbuße kann bis 5.000 € betragen.
Bei der Gefährdung von Abzugssteuern kommt der GF seinen Verpflichtungen, Steuerabzugsbeträge einzubehalten und abzuführen, nicht oder nicht vollständig nach. Auch die Gefährdung von Abzugssteuern kann vorsätzlich oder leichtfertig begangen und mit einer Geldbuße bis 5.000 € geahndet werden.
Sollte der GF eine Steuerhinterziehung oder Steuerverkürzung begangen haben, sollte über eine Selbstanzeige beim zuständigen Finanzamt nachgedacht werden, da dann unter Umständen Strafmilderung oder Straffreiheit erlangt werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass der GF aus eigener Motivation unrichtige oder unvollständige Angaben ergänzt bzw. berichtigt. Straffreiheit kann jedoch bei der Selbstanzeige nur gewährt werden, wenn die hinterzogenen Steuern gegenüber dem Finanzamt beglichen werden.