Betriebsübergänge bringen vielfältige Risiken für die Arbeitnehmer/innen mit sich, da der Arbeitgeber wechselt. Jedoch sind Arbeitnehmer/innen wegen § 613a BGB nicht völlig schutzlos gestellt. Insoweit besteht für die Arbeitnehmer/innen eine gewisse Sicherheit für das dem Betriebsübergang folgende Jahr.
So hat in diesem Bereich zur Zeit eine Eilentscheidung des Arbeitsgerichts Marburg für großes Aufsehen gesorgt. Dieser lag eine Klage von vier Verkäuferinnen gegen die Drogeriekette Anton Schlecker zugrunde. Die Filiale, in der die Klägerinnen beschäftigt waren, wurde geschlossen. Im gleichen Gebäude sollte kurze Zeit später eine Filiale der Fa. Schlecker XL GmbH eröffnet werden. Zwei der nunmehr klagenden Verkäuferinnen wurde angeboten, in die neue Filiale der Schlecker XL GmbH zu wechseln. Ihnen wurde dabei ungefähr 30% weniger Lohn geboten, dafür aber eine Mehrarbeit von 2,5 h pro Woche! Hiergegen wendeten sich die Verkäuferinnen zu Recht.
Bei einem Betriebsübergang, so wie es das Arbeitsgericht Marburg vorliegend in seiner Eilentscheidung feststellte, tritt der neue Arbeitgeber in die Rechte und Pflichten des neuen Arbeitgebers ein. Dies gilt insbesondere für die zur Zeit des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse. Das heißt, dass der/die Arbeitnehmer/in keinen neuen Arbeitsvertrag erhält, sondern der bisherige Arbeitsvertrag so bestehen bleibt. Daher werden bzw. bleiben tarifvertragliche oder individualvertragliche Regelungen damit auch Inhalt des Arbeitsverhältnisses zum neuen Arbeitgeber. Der/die Arbeitnehmer/in ist somit gehalten, keinen neuen Arbeitsvertrag abzuschließen, da ein solcher häufig ungünstiger ist als der bisherige und sich dann nicht auf den Schutz des § 613a BGB berufen kann.
Wichtig für betroffene Arbeitnehmer/innen ist in diesem Zusammenhang, dass grundsätzlich das Arbeitsverhältnis, somit auch der Arbeitsvertrag, nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden darf, § 613a Abs. 1 S. 2 BGB. Weiter ist nach § 613a Abs. 4 S. 1 BGB eine Kündigung des Arbeitnehmers/in sowohl durch den bisherigen Arbeitgeber als auch durch den neuen Arbeitgeber wegen des Betriebsübergangs unwirksam.
Hier lag das Problem der dargestellten Entscheidung des Arbeitsgerichts Marburg. Da es sich faktisch um einen Betriebsübergang handelte, hatten die beteiligten Arbeitgeber selbstverständlich den § 613a BGB zu beachten. Eine Kündigung der angestellten Verkäuferinnen war demnach nicht nur unwirksam, vielmehr entschied das Arbeitsgericht Marburg, die Verkäuferinnen müssen in der Filiale der Schlecker XL GmbH zu den bisherigen Bedingungen beschäftigt werden, zumindest solange bis eine endgültige Entscheidung im Hauptverfahren getroffen wird.
Der/die Arbeitnehmer/in ist nach § 613a Abs. V BGB vor dem Betriebsübergang zu unterrichten, da er/sie nicht gezwungen werden kann, durch den Betriebsübergang auf einen anderen Arbeitgeber zu wechseln. Insoweit hat der betroffene Arbeitnehmer/in nach § 613a Abs. 6 BGB ein Widerspruchsrecht, welches schriftlich und innerhalb eines Monats nach Zustellung der Unterrichtung erklären werden kann. Dies hat zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber bestehen bleibt und ist daher mit einigen Risiken verbunden. Unter Umständen kann dann es zu einer betriebsbedingten Kündigung durch den bisherigen Arbeitgeber kommen, da im abgegebenen Betrieb der bisherige Arbeitsplatz durch den Übergang verloren ist. Die widersprechenden Arbeitnehmer haben dann gegebenenfalls auch keinen Sozialplananspruch. Hierbei können jedoch einzelfallbezogene Vereinbarungen zwischen dem betroffenen Arbeitnehmer/in und dem Arbeitgeber den Arbeitnehmerschutz erweitern (je nach Betriebsvereinbarung bzw. individualvertraglicher Regelung).
Letztlich bleibt es abzuwarten wie das Hauptverfahren vor dem Arbeitsgericht Marburg enden wird. Jedoch kann hierbei die gesetzliche Regelung des § 613a BGB nicht außer Betracht bleiben, da die Norm wegen ihres Schutzzweckes (zum einen Schutz des Arbeitnehmers vor durch den Betriebsübergang bedingten Nachteilen, zum anderen Schutz der Funktion und des Fortbestands des Betriebes) als zwingendes Recht stets dann Anwendung findet, wenn zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden soll.