Änderungen in der Insolvenzordnung

Die Insolvenzordnung (InsO) hat im heutigen Wirtschafts- aber auch Privatleben eine erhebliche Bedeutung. Sie regelt das Verfahren mit denen meist überschuldete Gesellschaften oder Privatpersonen abgewickelt oder entschuldet werden können. Daher ist ihre Bedeutung nicht nur auf die Schuldner beschränkt, sondern ist auch für die Gläubiger wichtig, um deren Forderungen es regelmäßig geht. Seit ihrer Einführung hat die InsO einen steten Wandel und fortwährende Nachbesserungen erfahren, einige der aktuellsten Änderungen durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 (HBeglG) stellen wir hier vor.

Änderung des Antragsverfahrens:

Die erste wesentliche Änderung betrifft das Antragsverfahren, was schon deshalb wichtig ist, da ohne einen Antrag ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet werden kann (zwingendes Antragsverfahren). Nach § 14 Abs. 1 InsO ist ein Insolvenzantrag eines Gläubigers zulässig, wenn dieser ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Nach der bisherigen Rechtslage entfiel das rechtliche Interesse und machte den Antrag unzulässig, wenn der Schuldner auf die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung zahlte. Es kam dann nicht darauf an, dass die Insolvenzantragsgründe (Überschuldung, drohende Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit) aufgrund Forderungen anderer Gläubiger möglicherweise trotz der Zahlung an den antragstellenden Gläubiger weiterhin vorlagen. Nach der jetzigen Fassung ist dies nicht mehr zwingend der Fall. Es spielt für den Insolvenzantrag keine Rolle mehr, ob der Schuldner oder ein Dritter die Forderung des antragstellenden Gläubigers nachträglich befriedigt. Solange dadurch nicht die Insolvenzgründe insgesamt hinfällig werden, bleibt der Insolvenzantrag zulässig. Diese neue Regelung ist insoweit konsequent, da die Zahlung des Schuldners oder eines Dritten auf die einzelne Forderung des antragstellenden Gläubigers nicht ohne weiteres den Schluss zulässt, dass der Schuldner nicht mehr zahlungsunfähig bzw. überschuldet ist.

Inkonsequent wird die Regelung jedoch dann, wenn sie für eben diesen Fall eine neue Voraussetzung aufstellt. Der Antrag des Gläubigers, dessen Forderung erfüllt wurde, soll jetzt nur dann zulässig bleiben, wenn in einem Zeitraum von zwei Jahren vor Antragstellung bereits ein weiterer Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt worden war. Diesen vorherigen Antrag hat der Gläubiger zudem glaubhaft zu machen. Diese neu eingeführte Voraussetzung ist vielfach auf Kritik gestoßen. Der Gesetzgeber bezweckte mit der InsO, Zahlungsunfähigkeit möglichst früh zu erkennen und so die Gläubiger vor weiteren Verlusten zu schützen, die durch die insolventen Schuldner verursacht werden. Die neu geschaffene Voraussetzung könnte dieser Zielsetzung entgegenstehen. Für die Einschränkung ließen sich nur anführen, dass hierdurch aus Vereinfachungsgründen einige Verfahren schnell erledigt werden, vor allem solche aufgrund von „übereilten“ Anträgen von Gläubigern oder „mutwilligen“ Anträge, um den Schuldner zu Schaden. Mit Blick auf die bestehende Kostenvorschussverpflichtung der antragstellenden Gläubiger dürften diese Fälle aber eher gering und nur bedingt ein Mittel zur Durchsetzung offener Forderungen sein. Wenn jedoch zuvor bereits ein Antrag vorlag, könnte dies ein Indiz für nachhaltige Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners sein. Dass es bei der Voraussetzung um die Vereinfachung und schnelle Erledigung geht, lässt sich wohl auch aus der Verpflichtung herleiten, dass der antragstellende Gläubiger die vorherige Antragstellung glaubhaft machen muss. In der Regel liegt dem Insolvenzgericht eine hinreichende Kenntnis er Eröffnungsgründe bereits vor, da auch der frühere Antrag entsprechend glaubhaft zu machen war. Nur in Fällen, in denen sich die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts geändert hat, gilt dies nicht.

Die Verfahrenskosten eines wegen der Erfüllung nach Antragstellung als unbegründet abgewiesenen Verfahrens hat zwingend der Schuldner zu tragen. Zumindest bei „übereilten“ oder „mutwilligen“ Anträgen von Gläubigern erscheint dies unbillig. Inwiefern diese doch eher unstimmigen Änderungen schließlich in der Praxis bestehen werden, wird abzuwarten sein.

Einführung Fiskusprivileg:

Dem § 55 InsO, welcher sonstige Masseverbindlichkeiten (vorrangig aus der Insolvenzmasse zu befriedigende Verbindlichkeiten) regelt, wurde durch das HBeglG 2011 ein vierter Absatz angefügt. Dieser lautet wie folgt: „§ 55 InsO (4) Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit“.

Damit wird in die InsO ein sog. „abgeschwächter Fiskusvorrang“ eingefügt. Mit dieser Änderung soll die Einnahmesituation des Bundeshaushalts verbessert werden, indem die Position der öffentlichen Hand im Insolvenzverfahren gestärkt wird. Diese, so insbesondere vertreten durch die jeweiligen Finanzämter, ist vielfach in Insolvenzverfahren quasi als eine Art Pflichtgläubiger beteiligt, da der Fiskus sich die Schuldner nicht aussuchen oder gar Ansprüche mit Sicherheiten untermauern kann. Somit schuf der Gesetzgeber für den Fiskus eine Sonderstellung.

Relevant ist diese Änderung bei insolventen Unternehmen und Schuldnern, die ihre Geschäftstätigkeit trotz der Insolvenz nicht eingestellt haben. In diesen Fällen wird vom Insolvenzgericht in den meisten Fällen ein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt, der das Unternehmen sodann bis zu einer endgültigen Entscheidung fortführt, um so eine Verminderung der Insolvenzmasse oder eine Stilllegung des Unternehmens – zumindest vorläufig – zu vermeiden. Das insolvente Unternehmen ist dann auch weiter (umsatz-)steuerpflichtig, so dass nach der Neuregelung nunmehr diese Forderungen dann als Masseverbindlichkeiten gelten, die vorrangig zu befriedigen sind.

Zum Hintergrund dieser Änderung sei angemerkt, dass bislang zwischen der Ist- und Sollbesteuerung zu differenzieren war, sowie nach dem Zeitpunkt, wann die Forderung insolvenzrechtlich begründet worden ist. Unterliegt das insolvente Unternehmen der Istbesteuerung (Steuer entsteht erst mit tatsächlicher Zahlung des vereinbarten Entgelts) und zieht der Insolvenzverwalter eine Forderung (Leistungsentgelt einschließlich Umsatzsteuer), die in der Zeit vor Insolvenzeröffnung begründet wurde, nach Verfahrenseröffnung ein, ist die vereinnahmte Umsatzsteuer eine voll zu befriedigende Masseverbindlichkeit (dies war bereits vor der Gesetzesänderung ständige Rechtsprechung des BFH). Im Falle der Sollbesteuerung (Regelfall; Besteuerung nach vereinbarten Entgelten unabhängig von der tatsächlichen Zahlung) war es aber bislang so, dass der Insolvenzverwalter in gleich gelagerten Fällen (also Forderung aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung begründet und nach Verfahrenseröffnung eingezogen), die Forderung in voller Höhe – einschließlich dem Umsatzsteueranteil – für die Masse vereinnahmt hat, so dass diese Umsatzsteuerforderung lediglich als Insolvenzforderung angemeldet und entsprechend quotal befriedigt wurde. Dem ist bereits der BFH mit Urteil vom 09.12.2010 (V R 22/10) entgegen getreten, so dass auch im Falle der Sollbesteuerung der volle Umsatzsteueranteil als Masseverbindlichkeit zu befriedigen ist. Dies hat nun auch durch die Anfügung des 4. Absatzes seine gesetzliche Stütze gefunden.

Der Nachteil dieser Regelung ist, dass durch diese zusätzlichen Masseverbindlichkeiten die vorhandene Insolvenzmasse weiter geschmälert wird, so dass es vermehrt zur Anzeige der Masseunzulänglichkeit kommen kann. Die zusätzliche Schmälerung der Masse durch den Fiskusvorrang steht wesentlichen Grundgedanken der InsO – nämlich die Erhaltung des Unternehmens und dessen Betriebsfortführung (Sanierung), sowie der Gläubigergleichbehandlung – entgegen und wird wohl in zahlreichen Fälle die Erreichung dieser Ziele erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen.

28.02.2012
Elisa Rudolph, Rechtsanwältin
Rechtsanwälte Kühn & Schreiber

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